Authentisch führen – was es nicht bedeutet

„Authentisch sein“ – das ist das aktuell alles bestimmende Mantra. Die Sehnsucht nach und die Anforderung an Authentizität sind riesig. Die subjektive Wahrnehmung ist oftmals anders als die Fremdwahrnehmung und manches Mal wird Authentizität missbraucht.

 

Der Begriff Authentizität kommt ursprünglich aus der Welt der Historiker und Archäologen. Sie bezeichnen einen Fund, einen Gegenstand oder Ereignis als authentisch, wenn sie diese als „echt“ identifizieren können. Heute, im Zeitalter von Fake News, Influencern und einer unbezwingbaren Menge an Informationen, ist es wesentlich schwieriger, etwas oder jemanden als „echt“ einschätzen und anerkennen zu können.

 

Missbrauch des Begriffs passiert immer dann, wenn sich Menschen hinstellen und ihre Kommunikation, Taten, den Umgang mit anderen und ihr Erscheinungsbild mit den Worten begründen: „Ich bin eben authentisch. Ich verbiege mich nicht. Ich bin wie ich bin“, was so viel impliziert wie: Nimm mich so wie ich bin oder lass es – „friss oder stirb“. Mit dieser Haltung stülpen wir anderen unser Verhalten und Ansicht unreflektiert über. Das ist alles andere als ein angemessener Umgang und als Führungskraft nicht nur gänzlich ungeeignet, sondern führt zu Blockaden und Ablehnung.

 

Die fälschliche Auffassung, man sei authentisch, wenn man zu einer Veranstaltung gekleidet kommt wie man will, also im Zweifel im „Sofalook“, sich zu allem und jedem zu äußern, gerade wie einem der Schnabel gewachsen ist, Kritik ungefiltert, zu jeder Zeit und in jeder Form anzubringen, führt nicht zu Anerkennung und Status, sondern zu Missbilligung und Imageverlust. Authentisch sein bedeutet also weder ein ungefiltertes, unreguliertes Verhalten, noch ein Erscheinungsbild und einen Auftritt, der das Umfeld völlig unberücksichtigt lässt.

Sind die Menschen, die sich auf diese Weise als authentisch empfinden einfach nur unüberlegt und wissen nicht, was sie mit Ihrem Auftritt riskieren?

 

Woran erkennen wir authentische Personen und was schätzen wir an Ihnen?  

Wir erkennen sie daran, dass ihr Handeln mit ihren Werten, Gedanken, Überzeugungen, Bedürfnissen, Emotionen und Vorlieben übereinstimmt. Es bedeutet, dass das Gesagte der non-verbalen Kommunikation entspricht. Authentisches Handeln kommt aus der Person selbst und wird nicht von äußeren Einflüssen bestimmt. Damit wir authentisch sein und als solches auch wahrgenommen werden können, benötigen wir Selbsterkenntnis. Wir können durchaus verschiedene Rollen einnehmen und trotzdem dabei authentisch sein. Es gibt private und berufliche Rollen wie Partner:in, Mutter, Vater, Tochter, Sohn etc. zu sein und auch Mitarbeitende:r eines Unternehmens,  Teamleiter:in eines Teams, Vermittler:in zwischen Hierarchien, Sprecher:in für eine Gruppe etc. Dennoch können wir in all diesen Rollen authentisch sein.

 

Was gehört zur Authentizität?

  • Ein klares, inneres Fundament zu haben, zu erkennen, zu leben und zu verkörpern

  • Glaubwürdigkeit

  • Integrität

  • Ehrlichkeit

  • Aufrichtigkeit

  • Rollenklarheit

  • Den eigenen Worten, Ansichten, Werten passende Taten folgen lassen

  • Aus Überzeugung mit gutem Beispiel vorangehen

  • Werteorientierung, diese vorleben und verkörpern 

  • Verlässlichkeit 

  • Respekt

  • Berechenbarkeit

  • Konsequenz und Wirksamkeit vorleben

  •  

Was bedeutet es nicht? 

  • Das Fähnchen nach dem Wind zu hängen

  • Inszenierung, also verschiedene Rollen im gleichen Umfeld zu spielen

  • Impulsiv und unüberlegt, je nach Tagesverfassung zu agieren

 

Was schätzen wir an authentischen Personen? 

Authentische Personen erscheinen uns als angenehm, ungekünselt und wahrhaftig. Sie haben eine positive Ausstrahlung, sind sympathisch und selbstbewusst und verbreiten eine gute Stimmung und Freude. Sie können Inspiration und Vorbild sein. Sie sind tolerant und offen, denn Vorurteile gehören nicht in ihr Repertoire. Ebenso wenig Posen und angenommene Rollen.

 

 

Wie kommen Sie zu mehr Authentizität?

Johari Fenster

Um Ihr Ausmaß an Authentizität zu erkennen und wachsen zu lassen, hilft das Johari-Fenster. Die Methode ermöglicht Selbst- und Fremdwahrnehmung, sich dadurch zu erkennen und an sich arbeiten zu können, um so zu einer höheren Übereinstimmung beider Wahrnehmungen – der eigenen und der fremden - zu kommen.

 

Das Johari Fenster zeigt vier Bereiche, wovon uns der „öffentliche Bereich“ am meisten interessiert. Er ist der Bereich, in dem unsere Persönlichkeit in allen Facetten wahrgenommen wird. Wir agieren „ungeschminkt“ aus uns selbst heraus und werden auch genauso wahrgenommen. Selbst- und Fremdwahrnehmung sind also kongruent. Wir sind authentisch.

 

Das nächste Feld wird als „blinder Fleck“ bezeichnet. Damit ist die Fremdwahrnehmung gemeint, also Verhaltensweisen, Worte, non-verbale Kommunikation bis hin zu „Ticks und Macken“, die wir selbst nicht wahrnehmen, unser Umfeld jedoch schon. Auf das Feedback zu dieser Fremdwahrnehmung sind wir angewiesen, um wachsen zu können. Nur wenn uns ein wertschätzendes Feedback entgegengebracht wird, können wir an uns arbeiten und den „öffentlichen Bereich“ erweitern. Unser Anteil an Authentizität wächst, in dem wir immer mehr Deckungsgleichheit von Selbst- und Fremdwahrnehmung erlangen.

 

Der „geheime Bereich“ bezeichnet den Anteil in uns, den wir anderen nicht preisgeben möchten und der möglicherweise auch nicht ins berufliche Umfeld gehört. Haben wir jedoch die Möglichkeit, Teile unseres „geheimen Bereiches“ preis zu geben, erweitert dies den „öffentlichen Bereich“ und wir tragen zu unserer Authentizität und zu dem Verständnis andere für uns bei.

Beispiel: Vor Vorträgen, Präsentationen und wichtigen Gesprächen ziehen Sie sich gern zurück, um sich zu sammeln und Ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Sie verschwinden einfach 10 -15 Minuten von der Bildfläche. Ihr Team stellt dies zwar fest, steht jedoch vor einem Rätsel und kann dieses Verschwinden nicht einordnen. Sind Sie nun in der Lage, Ihr Bedürfnis zu verbalisieren und darum zu bitten, Sie in diesen Fällen ungestört zu lassen, wächst das Verständnis Ihrer Mitarbeitenden. Sie haben einen unbekannten Teil Ihrer Selbst preisgegeben und Ihr „öffentlicher Bereich“ ist gewachsen. Je größer dieser wird, desto authentischer werden Sie wahrgenommen, desto klarer ist Ihre Kommunikation, desto verständlicher ist Ihr Handeln.

 

Beim „blinden Fleck“ sind wir auf das Feedback anderer angewiesen. Beim „geheimen Bereich“ müssen wir Teile von uns aufdecken. Beides dient der Erweiterung des „öffentlichen Bereiches“ und führt zu mehr Glaubwürdigkeit, zu mehr Verständnis und Akzeptanz.

 

Der „unbekannte Bereich“ ist der Bereich, der jedem selbst und dem Umfeld verschlossen bleibt. Beispiel: Ein Psychologe stellt fest, dass in Ihnen eine Fähigkeit zur Malerei steckt. Davon wissen jedoch weder Sie noch Ihr Umfeld etwas. Diesen Bereich können wir vernachlässigen.

 https://de.wikipedia.org/wiki/Johari-Fenster

Entwickelt wurde es 1955 von den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham. Die Vornamen dieser beiden wurden für die Namensgebung herangezogen. Mit Hilfe des Johari-Fensters wird vor allem der so genannte „blinde Fleck“ im Selbstbild eines Menschen illustriert.*  

 

Kriterien der Authentizität

 Zu mehr Authentizität gelangen Sie in dem Sie

  • Ihr Bewusstsein schärfen. Wahrnehmung und Achtsamkeit üben.

  • sich fragen: Wie geht es mir heute? Was fordert die aktuelle Situation, das aktuelle Problem? Wie agiert und reagiert mein Umfeld? Wie und was kommuniziere ich heute? 

  • Ihre Stärken und Schwächen kennen und sich klar werden, wann Sie diese wo einsetzen.

  • Ihre Gefühle und Motive wahrnehmen, um zu verstehen, warum Sie heute und jetzt so handeln und sich verhalten und nicht anders.

  • mit sich aufrichtig und ehrlich sind.

  • Ihre Kommunikation mit Ihrer inneren Haltung in Einklang bringen und auf die geeignete Wortwahl achten. Beides – die innere Haltung und Ihre Kommunikation spiegeln sich in Ihrer Mimik und in einem stressfreien Äußeren. Ihre Botschaft wird stimmig.

 

Authentizität und Führungskräfte

Haben Sie sich in letzter Zeit schon einmal gefragt, warum Sie Führungskraft geworden sind, was Ihre Berufung in dieser Rolle ist? Geht es Ihnen um Macht? Um ein höheres Einkommen? Um Ihr Ego und Image? Haben Sie sich in der Funktion gesehen und diese angestrebt oder haben Sie Ihre Vorgesetzten auf den Posten bugsiert?

Wenn Sie sich über Ihre Rolle und Ihre Mission bewusst sind und diese mit Ihrer Motivation, Leidenschaft und Ihren Bedürfnissen in Einklang bringen können, sind Sie in der Lage, authentisch zu führen und ebenso wahrgenommen zu werden.  

 

Ihre Werte prägen Ihr tägliches Verhalten, so auch Ihre Ansichten und Ausdrucksweise – sprich Ihre Kommunikation. Wenn Sie sich Ihre Werte klar machen und Sie sich mit ihnen auseinandersetzen, kommen Sie zu authentischem Verhalten. Ihrem Team und Mitarbeitenden sollten Ihre Werte bewusst sein und sie sollten wissen, was Ihnen persönlich wichtig ist, auf welcher Basis Sie Entscheidungen treffen und auf welcher Grundlage Sie sich verhalten. Ist das gegeben und sind Sie stimmig in Ihrer Persönlichkeit und Ihrem Umgang, werden Sie als authentisch wahrgenommen. Predigen Sie nicht nur Werte, leben Sie diese auch vor!

 

Für Unternehmen ist es essentiell wichtig, glaubwürdige Leader als Vorbilder zu haben, die es schaffen, Ihre Mitarbeitenden hinter sich und das Unternehmensziel zu bringen, Motivation zu generieren und in jeder Situation glaubhaft zu bleiben. Dabei geht es nicht um Imponiergehabe oder Rollenklischees zu entsprechen, sondern konsequent der eigenen, persönlichen Berufung zu folgen. Nur so entsteht glaubwürdige Authentizität.

 

Britta Balogh