Droht Wissensverlust durch Arbeit im Homeoffice?

Es wird viel über Modelle und Anreize zur Rückkehr der Mitarbeitenden in die Büroräume diskutiert. Das Homeoffice und remotes Arbeiten sind inzwischen fester Bestandteil unseres Arbeitsalltages und nicht mehr wegzudenken. Für die Erfüllung unserer Aufgaben stehen uns eine Vielzahl technischer Tools zur Verfügung, so auch um miteinander zu kommunizieren, unabhängig dessen, wo die Gesprächspartner sitzen. Wenn wir also so gut ausgerüstet sind und so engagiert remote arbeiten, benötigen wir dann überhaupt noch einen zentralen Ort, der sich Büro nennt? Laufen Unternehmen durch dezentrales Arbeiten Gefahr, dass Wissen abhandenkommt, weil dieses schlicht nicht mehr geteilt, gemeinsam weiterentwickelt und festgehalten wird? Und welche Konsequenz hätte dies?

 

Vieles hat sich eingespielt und funktioniert gut auch ohne Präsenz im Unternehmen. Doch das Thema Wissensmanagement ist weiterhin ein großes Thema in den Firmen. Die Mitarbeitenden erwarten, dass sie vollumfänglich informiert werden, möchten jedoch zu diesem Zwecke vielfach nicht den Weg ins Büro auf sich nehmen. Es ist eher eine passive Konsumhaltung zu beobachten als ein aktives Sammeln von Informationen und Wissen und deren Weitergabe.

Auch die Kommunikationskanäle differieren je nach Generation. Erwiesenermaßen greifen die jungen Y- und Z-Generationen ungern zum Telefon, bzw. Smartphone oder suchen das persönliche Gespräch, sondern chatten lieber. Die Baby Boomer hingegen greifen lieber zum Hörer und tauschen sich von Ohr zu Ohr aus, als etliche Male hin und her zu chatten. Sie treffen sich zu Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. Hinzu kommt, dass es eine Vielzahl von Kommunikationsplattformen in Unternehmen gibt, so dass sich Informationen über diese verteilen, was zu Verwirrung und Verlusten führt.

 

Meetings am Bildschirm sind gängig, unterbinden jedoch eine Spontanität des Austausches. Begegnet man sich jedoch en passant auf dem Flur, in der Küche oder in den Gemeinschaftsräumen und kommt ins Gespräch, können die Gedanken frei laufen, Fragen schnell mal geklärt und neue Ansätze diskutiert werden.  Das ungeplante Brainstormen vor Ort gibt Impulse und weckt die Kreativität. Deshalb ist es essenziell, die Zusammenkünfte beizubehalten und attraktiv zu gestalten, denn dabei entstehen neue Ideen und Lösungswege genauso wie die gesuchte Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Das ist auf unkomplizierte Weise der so wichtige Wissenstransfer.

 

Ein „Marktplatz des Wissens“ lebt von der Anwesenheit. Nicht anders als unser Wochenmarkt. Der Plausch mit den Marktleuten, der Austausch von politischen, wirtschaftlichen und Alltagsthemen findet dort nebenbei statt. Wir sammeln nicht nur Lebensmittel ein, sondern auch Wissen, das wir an anderer Stelle weitergeben.  Dieses Bild ist wunderbar übertragbar auf die Unternehmen, und zwar team-, bzw. bereichsübergreifend.  Kein virtuelles Meeting kann dies in der gleichen Qualität ersetzen. Die Führungskräfte sind also einmal mehr gefordert, sowohl einen ortsunabhängigen Informationsaustausch zu ermöglichen als auch ein regelmäßiges Zusammenfinden der Mitarbeitenden im Unternehmen so attraktiv zu gestalten, dass es zum Magnet wird.

 

Diese Attraktivität hat viele Gesichter, dazu gehören

-       Die Erreichbarkeit der Firma

-       Eine attraktive (begrünte) Umgebung, in der die Firmenräume sich befinden

-       Modern und nachhaltig gestaltete Büroflächen

-       Eine inspirierende Begegnungs- und Arbeitsumgebung

-       Den Arbeitsaufgaben entsprechende Arbeitsflächen (Ruhezonen, Kreativbereiche, runde Tische, Gemeinschaftsbüros)

-       Ein sinnstiftender Anlass, warum die Mitarbeitenden gern wieder zurück ins Büro kommen möchten, zumindest für einen Teil der Woche.

 

Eine Studie der Harvard University hat gezeigt, dass „remotes Arbeiten wenig förderlich für Spitzenleistungen bei kognitiv anspruchsvollen Aufgaben ist.“

https://www.gfwm.de/dossier-new-normal-wm-hybrides-arbeiten/

Aus diesem Grund hat selbst Google angeregt, dass die Mitarbeitenden an drei gemeinsamen Tagen vor Ort im Büro arbeiten. Dabei geht es Google, ebenso wie vielen anderen Firmen, nicht um eine verstärkte Kontrolle der Arbeitsleistung – wir wissen längst, dass die Arbeit im Homeoffice sehr effizient ist – sondern um die Aufrechterhaltung und Förderung von Kreativität und Innovation. Die Zusammenkünfte der Mitarbeitenden fördert nicht nur das soziale Miteinander, den Teamgeist, die Motivation und Innovation, sondern sichert den Wissenstransfer und damit erwiesenermaßen den Wettbewerbsvorteil.

Wenig sinnvoll ist jedoch die Androhung von Sanktionen für Mitarbeitende, die sich sträuben, in der gewünschten Frequenz zurück ins Büro zu kommen, wie Google es tut.  

 

 

Technische Tools sind nicht allein die Lösung

 

Um Wissen im Unternehmen zu halten, ist eine konsequente Verschriftlichung von Informationen wichtig. Allerdings hat sich auch schon gezeigt, dass es zum Teil so viele verschiedene Kanäle der Kommunikation im Unternehmen gibt, wie z.B. Teams, Apps, Chats, E-Mails, dass entweder eine umfangreiche Suche beginnt oder relevante Informationen schlichtweg im Wust der Kommunikationsmöglichkeiten untergehen. Es braucht folglich ein Bewusstsein und die Möglichkeit, dauerhaft wichtige Inhalte aus der Fülle der Kommunikation und der Plattformen herauszufiltern, sie zu strukturieren und zugreifbar zu machen. Denn gelingt dies nicht, entsteht das Rad immer wieder neu, die Mitarbeitenden arbeiten sich immer wieder an der gleichen Stelle ab und verlieren das Interesse. Das Unternehmen büßt Effektivität und Gewinn ein.

 

 

 

Was können Führungskräfte konkret tun?

 

Die immer wiederkehrende Frage ist, wie Führungskräfte sicherstellen, dass die Kommunikation, der Wissensaustausch und – gewinn im Team funktioniert, und die soziale Komponente des Miteinanders nicht zu kurz kommt.

 

Virtuelle und hybride Meetings allein helfen nicht, um die sozialen Strukturen zu fördern und zu verstärken. Hingegen anders gestaltete Meetings können durchaus Magnetwirkung erzielen. Zum Beispiel indem jedes Teammitglied zu Beginn des Meetings in einer Minute den Stand seines Projektes vorstellt. So kann sich jeder zeigen und alle wissen, womit der/die andere beschäftigt ist. Das schafft Atmosphäre, regt zur Interaktion an und schafft Wissensaustausch. Eine solche abwechslungsreiche Struktur eines Teammeetings, das immer unter einem anderen Gesichtspunkt stattfindet, hält wach. Es bleibt interessant.

 

Es ist essenziell, immer wieder Anreize zu persönlichen Treffen zu schaffen, wie z.B. das gemeinsame Feiern von erreichten Zielen, interaktive und teamübergreifende Workshops und Events.  Anregung zu neuen Denk- und Handlungsmodellen sind ebenso förderlich wie sich in kleinen Runden in unternehmerischem Denken zu üben und in den Perspektivwechsel zu gehen. Experimentier- und Ruhezonen unterstützen die Mitarbeitenden in ihrer Entfaltung. Dies sind ohne Frage große Herausforderungen für die Unternehmens-, Abteilungs- und Teamleitung.

 

 

Gemeinsame Leitplanken und Regeln vereinbaren

 

Es ist auffällig, dass all diese Überlegungen in eine Richtung laufen, nämlich von den Ansprüchen und Vorstellungen der Arbeitnehmenden an die Arbeitgebenden. Da wir von einem Miteinander sprechen, wäre es sinnvoll, in den Austausch zu treten und darzulegen, welche Bedürfnisse, Wünsche und Zwänge seitens des Unternehmens zu berücksichtigen sind. So entsteht ein besseres Verständnis füreinander: Für das Unternehmen mit den Unternehmenszielen, für die Führungskraft, die so viele Rollen und Aufgaben hat und verständlicherweise auch an ihre Grenzen stößt und die Mitarbeitenden, die ihre Freiräume nutzen und schützen wollen. Da vielfach bis zu vier Generationen unter einem Dach arbeiten, erscheint eine offene Kommunikation und ein gemeinsam kreiertes Regelwerk nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Denn die Auffassung von Gemeinschaft und sozialem Miteinander differiert zwischen den Generationen.

 

„Wissen ist Macht“, ein Zitat des englischen Philosophen Fancis Bacon,

hat nicht an Bedeutung verloren, wenngleich ich es hier nicht als Machtinstrument gegen andere Mitarbeitende verstehe. Wissensmanagement bedeutet Wettbewerbsvorteil, bedeutet Sicherheit für die Firma. Denn nur wenn das Unternehmen auf das Know-How der Mitarbeitenden zugreifen kann, wenn es in strukturierten Bahnen für alle verfügbar ist, kann ein Unternehmen innovativ sein, wachsen und sich am Markt behaupten.

Fazit:

 

Die Pandemie mit dem Zwang zum Homeoffice hat uns weit nach vorn und ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit gebracht. Es hat uns die Freiheit geschenkt, von „jedem“ Ort der Welt arbeiten und kommunizieren zu können. Wir sind international verknüpft und können aus einer Fülle von zugänglichen Informationen schöpfen.

 

Das Homeoffice und remotes Arbeiten hat uns auch Entfremdung gebracht, Isolation, Verlust an sozialen Kompetenzen und der Business Etikette. Jeder Einzelne kann aus der Fülle der Informationen im Netz schöpfen und sich bereichern. Die Firmen hingegen müssen darum kämpfen, dass dieses Wissen der Gemeinschaft zu Verfügung gestellt und gesichert wird. Wissenstransfer bedeutet Wettbewerbsvorteil, bedeutet das Überleben der Firma.

 

Es bleibt die Suche nach interessanten und tragenden Lösungen für beide Parteien, nach gemeinsamer Verständigung und Vereinbarungen und dem gemeinsamen Spirit, sich miteinander entwickeln zu wollen.

Britta Balogh