Stressfaktor Ärger!

Wut und Ärger sind unsere größten Stressfaktoren. Sie sind jedoch nicht originär für unseren Stress verantwortlich. Es sind vielmehr die Gefühle, die sich in Wut und Ärger äußern, wie Angstgefühle: Die Angst benachteiligt zu werden, zu kurz zu kommen, übersehen zu werden, nicht geliebt zu werden oder etwas zu verlieren. Klassische Situationen im Job sind, dass wir das Gefühl haben, bei der Beförderung übergangen zu werden, nicht so viel Aufmerksamkeit und Zuneigung vom Chef, der Chefin zu erfahren, wie der/die Kolleg:in, eines Privilegs verlustig zu gehen, benachteiligt oder für unsere Leistung nicht gebührend anerkannt zu werden. Diese Angstgefühle lösen Stress aus. Ähnlich wie unsere vierbeinigen Freunde, die Pferde, neigen auch wir zur Flucht. Nicht wirklich räumlich, jedoch mental und emotional. Die Flucht kann sich z.B. in Eifersucht, Streitbarkeit, Zynismus, in Vernichtungsgedanken und Rache zeigen. Mit diesen Strategien wächst der Stress nur weiter und führt unweigerlich zu Verlust. Verlust an Ansehen, Souveränität, Loyalität, Kompetenz, Energie und am Ende gar des Jobs. Wir können diesen Stressfaktoren jedoch auch positiv begegnen und sie für uns nutzen.

 

 

Toxische Ärgergefühle

 

Wie wir wissen, ist Stress in mehrfacher Hinsicht nicht gesund, denn damit sind körperliche Reaktionen verbunden, der Blutdruck und die Pulsfrequenz steigen, die Ruhephasen und der erholsame Schlaf nehmen ab. "Viele Untersuchungen belegen, wie toxisch Ärgergefühle für das Herz und die ganzen inneren Organe sind", so u.a. Dr. Georg Eifert, ehemaliger Direktor der Abteilung für Psychologie an der Chapman University in Kalifornien. „Zu Depressionen und chronischen Veränderungen auf der Verhaltensebene kommt es, wenn wir ständig den Ärger in uns hineinfressen oder unterdrücken. Denn dann werden Stresshormone und Neurotransmitter ausgeschüttet. Die Folge ist eine anhaltende Aktivität im limbischen System im Gehirn, speziell in der Amygdala, wo es die meisten Rezeptoren für Stresshormone gibt. Es drohen psychische Erkrankungen,“ so der Hirnforscher Prof. Dr. Hans Markowitsch von der Universität Bielefeld. Wer seine Frustrationen für sich behält, ist dreimal häufiger enttäuscht vom eigenen Leben haben Wissenschaftler in einer Harvard Study of Adult Development aus dem Jahr 2009 herausgefunden.

 

 

Das schlechte Image von Wut

 

Wer seinen Ärger oder gar Wut zeigt, gilt häufig als ungehobelt, primitiv und nicht Herr seiner selbst. Wir erwarten im zwischenmenschlichen Miteinander, dass wir uns zivilisiert und beherrscht begegnen. Erst recht auf dem Business Parkett. Schon in frühen Zeiten forderten Philosophen und Denker Mäßigung und Vernunft. Wutausbrüche galten und gelten als Charakterschwäche. Selbst Religionen, wie der Buddhismus missbilligt Zorn, denn er empfindet ihn als Hindernis auf dem Pfad der Erleuchtung, während Muslime glauben, dass er von Satan herrührt, zählt die Wut im Christentum ab dem frühen Mittelalter zu den sieben Todsünden. Wir haben also gelernt, dass Wutausbrüche keinen Platz in unserem Alltag haben sollten.

 

Ärger hemmungslos auszuleben, ist nicht nur gesellschaftlich und im Business Kontext keine gute Idee. Aus der psychologischen Forschung weiß man: „Wer dauernd seinem Ärger unkontrolliert Luft macht, baut ihn nicht etwa ab, sondern bleibt auf einem hohen Ärgerniveau stecken.“ Daher ist es ratsam, erst einmal durchzuatmen, aus der Situation raus zu gehen, Gefühle und Gedanken zu ordnen und sich zu fangen, um in einem beruhigten Zustand das klärende Gespräch zu suchen.  

 

Die guten Seiten der Wut

 

Der Ursprung unserer Stresssymptome machen jedoch für Notfallsituationen durchaus Sinn, denn geht es um Bedrohung oder gar ums Überleben, werden alle physiologischen Ressourcen für die Flucht oder einen Kampf mobilisiert. Es baut sich Energie auf, die uns Kräfte verleiht und den Körper in Bewegung bringt.

 

Wir können diese Energie nutzen, um zu erkennen, was gerade falsch läuft, welche Werte und Bedürfnisse verletzt werden und wie wir die Energie des Ärgers konstruktiv nutzen können. Dazu sollten wir in uns hineinhorchen und den Gefühlen auf den Grund gehen. Was ist der Auslöser? Warum bin ich so verletzt? Wovor habe ich Angst? Hat es wirklich etwas mit dieser Situation zu tun oder wurde mein wunder Punkt getroffen, der alte Muster zum Vorschein bringt? Was kann ich an der Situation und an meinen Gefühlen verändern? Die Einordnung des Ärgers und unsere daraus resultierenden Handlungen ist der Schlüssel, um den Stress abzubauen und zukünftig besser und gesünder damit umgehen zu können. Einen Schritt zurückzutreten und in die Selbstreflexion zu gehen, ist sicher in der akuten Situation eine große Herausforderung. Denn die Mischung aus Wut, Energie und Frust treibt uns zu schnellen, unüberlegten Äußerungen und Handlungen, die die Situation im Allgemeinen verschärfen und nicht entspannen.

 

Psychologen und Psychiater unterstreichen, dass Wut seine guten Seiten hat und es wichtig ist, ihr Raum zu geben und ihr Ausdruck zu verleihen. Anstatt sie in uns hineinzufressen, sollten die Warnsignale wahrgenommen werden. Sind die ersten lodernden Flammen verraucht, können wir in kontrollierter Weise anderen klare Grenzen setzen. Das befreit von inneren Spannungen.

 

 

Positiver Umgang mit Ärger und Stress

 

  • Hilfreich ist in jedem Fall abzuwarten und den Ärger etwas verrauchen zu lassen. Denn aus der Forschung weiß man, dass die körperlichen Veränderungen, die aus Ärger resultieren, nach spätestens einer Stunde abgebaut sind. Meist dauert die heiße Phase des Ärgers sogar nur zehn Minuten an, so der Mainzer Psychologieprofessor Dr. Thomas Kubiak. Es sei denn wir füttern den Ärger weiter mit Schimpfen, Aufregung und Grübeln, so der Professor. Sein Rat ist, den Ärger anzunehmen, ihn vorübergehen zu lassen und dann nach einer konstruktiven Lösung zu suchen.

 

  • Manchmal hilft es, der Klügere zu sein und nachzugeben. Das sollte kein Dauerzustand sein, denn dann werden Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle ignoriert. Drücken Sie diese weg, bahnt sich der Ärger und Stress einen anderen Weg.

 

  • Unsere Gefühle sind Signale. Im Fall von Ärger teilen sie uns mit, dass uns etwas stört. Daher sollten wir uns fragen, um welches Bedürfnis es sich handelt, das gerade verletzt wurde und was es mit der aktuellen Situation zu tun hat.

 

  • Manchmal ist Ablenkung eine gute Variante, um mit Ärger und Stress umzugehen, insbesondere wenn an der Situation gerade nichts zu ändern ist. Mit der Vertiefung in schöne und freudvolle Tätigkeiten oder sportlichen Aktivitäten lenken wir unser Gehirn auf andere Pfade und bauen dabei Stress ab. Nicht allerdings, wenn wir dabei weiterhin auf unseren Gedanken herumkauen.

 

  • Zur Ruhe zu kommen ist leicht gesagt, je nach Intensität und Ausmaßes des Ärgers, bzw. der drohenden Konsequenzen ist das kaum möglich. Hat der Ärger nicht so eine große Dimension, hilft die Frage, ob die Situation es wirklich wert ist, sich so aufzuregen. Überlegungen wie: „Was werde ich in einer Woche, einem Monat darüber denken?“ helfen den Ärger vorüberziehen zu lassen.   

 

„Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“ Aristoteles

 

Britta Balogh