Rückblick 2022

Unsere (Arbeits-)Welt hat sich auch in diesem Jahr stark verändert. Die Anforderungen an Führungskräfte, Arbeitnehmende und Unternehmen werden immer größer. Was macht das mit uns, dem Team, der Unternehmenskultur und was bedeutet es für unsere Karrieren? Wie gesund sind Ihre Mitarbeitenden und was können Sie zum Erhalt der Mannschaft tun? Diese Fragen und viele mehr treiben uns um. Es waren meine vornehmlichen Themen des Jahres 2022.

 

Homeoffice - Fluch und Segen

Das Homeoffice und remotes Arbeiten sind feste Bestandteile unseres Arbeitslebens geworden. Es hat Vor- und Nachteile, wie wir inzwischen gelernt haben. Für manch einen ist es eine großartige Entlastung, andere leiden unter dem Mangel an Gemeinschaft, Zugehörigkeit und des befruchtenden Austausches unter Kolleg:innen. Für die Unternehmens- und Teamleitung ist es herausfordernd, allen gerecht zu werden und dabei darauf zu achten, dass der Teamgeist, Innovation durch gegenseitige Inspiration, die Kollegialität und das Wir-Gefühl nicht zu kurz kommen.

 

Gleiches gilt für die Unternehmenskultur. Sie ist wichtiges Bindeglied zwischen allen Mitgliedern einer Firma und ist Leitplanke für individuelles und gemeinsames Handeln. Sie bildet den Rahmen und gibt damit Halt. Gelebte Unternehmenskultur spiegelt sich nach innen in der Atmosphäre, Kollegialität und Kommunikation der Mitarbeitenden und nach außen in dem Firmenimage. Für die Führungskräfte bedeutet es nicht nur erheblich mehr Aufwand, die Unternehmenskultur und -werte an den jeweiligen Arbeitsplatz zu transportieren und lebendig zu halten, sondern auch Fingerspitzengefühl, spitze Ohren, wachsame Sinne, eine differenzierte Kommunikation und Ideenvielfalt, um gemeinsame Zusammenkünfte, Meetings und Events zu initiieren und zu etablieren. Denn eine Frage steht in unserer Zeit des Fachkräftemangels über allem: Wie kann ich Mitarbeitende gewinnen und halten?

 

 

Onboarding – das A und O

Um diese Frage beantworten zu können, wendet sich unser Blick dem Thema Onboarding zu. Die Baby Boomer wurden an dem Tag ihrer Einstellung begrüßt, den Kolleg:innen vorgestellt und an einen Tisch gesetzt. Nicht selten bekamen wir einen Haufen Papier in die Hand gedrückt, um uns einlesen zu können. Das funktioniert heute – Gott sei Dank – so nicht mehr. Das Onboarding, das weit vor dem ersten Arbeitstag beginnt, ist das A und O der Mitarbeitergewinnung und -bindung. Wichtige Bestandteile sind:

 

  • der freundliche und beständige Kontakt mit dem/der Bewerber:in ab dem Zeitpunkt des Bewerbungsprozesses, bis zum ersten Arbeitstag

  • das Einbeziehen in Firmengeschehnisse schon vor dem ersten Arbeitstag (Feierlichkeiten, Auszeichnungen, Veränderungen, Seminare)

  • die herzliche Begrüßung und die strukturierte Planung des ersten Tages und der ersten Monate mit allen Ansprechpartnern und Abteilungen

  • die kontinuierliche Begleitung des Neulings

  • engmaschige Feedback-Gespräche

  • die Integration in das Team.

 

Es sind durchaus aufwendige Maßnahmen, die sich jedoch auszahlen. Fühlt sich der neue Mitarbeitende gut aufgenommen und in das Team eingebettet, herrscht dort gute Stimmung, dann sind dies die besten Voraussetzungen für einen dauerhaften Verbleib. Häufige Wechsel sind kostspielig, beanspruchen Kraft, Zeit und Energie und führen schnell zu einem Imageverlust. Denn wird bekannt, dass bei Ihnen die Mitarbeitenden kommen und gehen, werden Sie als Arbeitgeber:in unattraktiv.

 

 

Teamfindung – häufig unterschätzt

Die Teams sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Unternehmens. Es lohnt sich, Zeit für die Teamfindung aufzuwenden. Ich benutze bewusst diesen Begriff. Beim Teambuilding soll das WIR-Gefühl gestärkt werden. Bei der Teamfindung geht es um das Verständnis füreinander, die Aufstellung des Teams, analog zum Fußball, und den Teamregeln, die die Mitglieder miteinander vereinbaren. Erst wenn sich alle Teammitglieder, nebst Führungskraft öffnen, sich hinter die Fassaden blicken lassen, sich wirklich kennenlernen und verstehen können, gibt es eine Chance zu der richtigen Positionierung jedes Mitgliedes und der effektiven Ausschöpfung der Potentiale und Stärken. Es entsteht eine kameradschaftliche Stimmung, die ein Team zu Erfolgen und auch durch Niederlagen tragen kann. Vor allem spornt eine gute Atmosphäre und  positive Stimmung zu mehr Leistung und somit zu mehr Erfolg an.

 

In den Prozess der Teamfindung spielen Themen wie Unternehmenskultur, Kommunikation, Konflikt- und Stressbewältigung hinein. Ein Team, das gut funktioniert, sich gern sieht, gern miteinander arbeitet und an einem Strang zieht, ist weit stressresistenter und konfliktarmer als Teams, deren Mitglieder nur auf die eigenen Erfolge blicken, nicht gemeinsam auf ein Ziel zuarbeiten und keine Gemeinschaft pflegen.

 

 

Gesundheit & Wohlbefinden

Stressbewältigung und psychische Gesundheit sind wesentliche Themen, die in 2023 an Gewicht gewinnen werden und bei HRler:innen ganz oben auf der Liste stehen. Es liegt auf der Hand, dass die wenigen Mitarbeitenden, die zur Verfügung stehen, immer mehr Anforderungen und Herausforderungen meistern sollen. Insbesondere wenn die Arbeitsatmosphäre getrübt oder bedrückend ist, ist der Druck und damit der Stress oftmals überwältigend. Mitarbeitende fallen über Tage, Wochen und Monate aus. Sie fehlen nicht nur dem Team, sie schmälern den Erfolg und damit den Umsatz des Unternehmens. Insbesondere Menschen, die in ständigem Kundenkontakt und -betreuung stehen, die permanent unter Termindruck arbeiten, regelmäßig Überstunden machen, benötigen Methoden, um Frust, Ärgernisse, Enttäuschungen und Ermüdung schnell ablegen zu können. So können sie ihre Ressourcen schonen und das nächste Kundengespräch frisch und fröhlich meistern.

 

Resilienz und Stressbewältigung ist ohne unterstützende Maßnahmen kaum möglich. Wichtig dabei ist, die Fähigkeit zu entwickeln, den Stress möglichst an der Bürotür zurückzulassen oder auf dem Heimweg abzubauen, um in der Freizeit und im Schlaf regenerieren zu können. Denn nur so bleiben wir gesund und leistungsfähig.

 

Eines der wichtigsten Soft Skills ist die Selbstreflexion. Nicht nur in Stresssituationen und bei kontinuierlich hohem Arbeitsaufkommen, auch um Niederlagen und Rückschritte verkraften zu können. Die Fähigkeit in sich hineinhorchen, sich wahrnehmen, die eigenen Empfindungen und körperlichen Signale einordnen zu können, ist in unserer disruptiven Welt essentiell. Bei einem wachsamen Umgang mit uns selbst, bleiben wir bei Kräften, können Energien auftanken und effizient arbeiten. Sind wir grundsätzlich im Einklang mit uns, dann sind wir widerstandsfähig und können unsere Karriere weiter vorantreiben. Hier ist jeder einzelne gefordert, ebenso wie die Personaler:innen, bzw. die Unternehmensleitung, die mit entsprechenden Angeboten Hilfestellungen geben sollten.  

 

 

Karriere sichern durch Soft Skills

An der persönlichen Karriere wird inzwischen mindestens hälftig aus dem Homeoffice heraus gefeilt. Das Homeoffice birgt jedoch die Gefahr, schneller aus dem Bewusstsein des Teams und der Führungskraft zu rutschen. Persönliches Engagement und Erfolge sind weniger sichtbar. Um dies zu verhindern, sollten die Mitarbeitenden selbst aktiv werden, sich deutlich bemerkbar machen, eine intensive Kommunikation pflegen und Wege und Rhythmen finden, in den Austausch mit den Kolleg:innen und der Führungskraft zu treten. Andererseits ist es die immense Aufgabe der Teamleitung, Motivation, Kommunikation, Teamgefühl, Befähigung und Unternehmenswerte ins Homeoffice zu übermitteln und dort lebendig zu halten. Beide Seiten benötigen dazu u.a. ein umfangreiches Repertoire an Soft Skills. Eine Studie hat gezeigt, dass 74 Prozent der befragten Führungskräfte sich nicht ausreichend darauf vorbereitet fühlen, ein Team virtuell zu führen. Für diese Gruppe besteht ein hoher Bedarf an Unterstützung und Entwicklung, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden kann.

 

Unternehmen sind gut beraten, Ihre benötigten Skills zu ermitteln, mögliche Skill-Gaps auszumachen und einem Mangel durch regelmäßige Schulungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Dies ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Die Mitarbeitenden sollten das persönliche Ziel haben, ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu erweitern und zu vertiefen, denn auf der Klaviatur der Soft Skills spielen zu können, ist die Voraussetzung für die persönliche Karriere.

 

Auch dieses Jahr hat uns das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern begleitet. Die Potenziale von Frauen werden weiterhin unterschätzt und ignoriert. Die Beurteilung von Frauen fällt häufig immer noch um eine Schulnote schlechter aus als bei Männern bei gleichen Jobs und gleicher Qualifikation. Um dem entgegenzuwirken, sollten Frauen beherzter auftreten, sich klar positionieren und ihre Wünsche und Bedürfnisse einfordern.  

 

Der Fachkräftemangel und der manches Mal klaffende Anspruch von Bewerber:innen und Arbeitgeber:innen ist und bleibt ein Kernthema, was nicht selten unlösbar erscheint. Nicht besetzte Stellen führen zu Mehrbelastung der bestehenden Mannschaft, was nicht nur gesundheitlich riskant ist, sondern auch die eigene Karriere ausbremsen kann. Trotz des hohen Arbeitsaufkommens ist es unabdingbar, sich Zeit für die Mitarbeitenden zu nehmen, sie immer wieder zu motivieren, zu unterstützen und begleitend Anreize für lebenslanges Lernen zu schaffen.

 

 

Workleisure versa Businessdress

Die Coronazeit war die Hochzeit der Jogginganzüge und „Wohlfühl-Kleidung“. Die Modebranche hat sich darauf gestürzt und auch das Business-Outfit bequemer gemacht. Typische Stoffe für Hosenanzüge und Kostüme wurden durch weiche, fließende High-Tech-Materialien und lockere Schnitte ersetzt. Nun gibt es die Jogginghose als Business-Outfit. Dazu gehören unausweichlich die Sneakers und ein lässiges Oberteil. Der Look ist Ausdruck unserer Zeit „be yourself“. Ist er jedoch auch Ausdruck der eigenen Kompetenz? Des Unternehmensimages? Empfinden unsere Kunden und Gesprächspartner die neue Lässigkeit als respektvoll und seriös? Das Erscheinungsbild ist Ausdruck unserer Zeit. Stilfragen verschwinden zugunsten von persönlichem Wohlbefinden. Die hilfreichen Leitplanken, die Dresscodes, an denen man sich orientieren konnte, gehören mehr und mehr der Vergangenheit an. Dennoch zeigt sich, dass immer mehr Menschen Unsicherheit in ihrem anlassbezogenen Erscheinungsbild (Kundeneinladung, Feierlichkeiten, Kulturereignisse, Weihnachtsfeier, Messen, Kongresse etc.) verspüren. In Unkenntnis darüber, welche Chancen sie sich durch ungeeignete Kleidung und einem zu lässigen Auftritt vergeben, greifen sie unbedacht nach ihrer Alltags-Standardkleidung. Der Fokus liegt auf einem selbst, der eigenen Bequemlichkeit, des eigenen Wohlbefindens. Darüber geraten Werte, Image und eben Kompetenzspiegelung in Vergessenheit. Eine gefährliche Bequemlichkeit, die die Karriere kosten kann.

 

All diese Themen werden uns weiterhin beschäftigen. Wir werden uns an ihnen reiben, daran wachsen und zu neuen Erkenntnissen kommen. Die Herausforderungen sind groß und nicht für alles gibt es schnelle Lösungen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

 

Ich wünsche allen eine friedliche und fröhliche Adventszeit, geruhsame Feiertage und einen positiven, energetischen Ausblick auf das kommende Jahr.

 

Ihre/Eure

Britta Balogh

Britta Balogh