Was ein Skiunfall mit der Business Etikette zu tun hat

Im März vergangenen Jahres durfte ich im Rahmen der “75 Visionen für Berlin” meinen Blick auf die Höflichkeit und das Benehmen der Bewohner der Stadt werfen und meine Vision für ein gutes Miteinander schildern. Ich nannte ihn "Benehmt Euch!"

Im Januar diesen Jahres hatte ich das Vergnügen, in die Schweiz eingeladen worden zu sein, um die Unterschiede zwischen der Deutschen und der Schweizer Business Etikette zu diskutieren und zu verdeutlichen, warum die Business Etikette hier wie dort ein Erfolgsfaktor ist.

 

Nun werfen wir einen Blick nach Österreich.

Unfreiwillig hatte ich im Februar die Gelegenheit, Höflichkeit und Benehmen in Österreich studieren zu können, nämlich während ich nach einem Sturz auf der Skipiste mit Beinbruch im Krankenhaus in Villach, Kärnten, landete.

Auffällig ist, die große Freundlichkeit und Fröhlichkeit der Mitarbeitenden. Kein Klingeln, keine Bitte ist zu viel, kein Weg zu weit, immer ein freundliches Wort auf den Lippen und ich höre Lachen auf den Gängen. Ich bin neugierig und frage das Personal, wie es kommt, dass sie so fröhlich sind, trotz Personalmangels, trotz Überstunden, trotz permanenter Unterbrechung der Routine, denn im gefühlten Zehn-Minuten-Takt landen die Helikopter auf dem Dach und bringen neue Verletzte rein. Die Antwort ist simpel und mitreißend: "Wir wollen es doch auch nett haben und bemühen uns, fröhlich miteinander umzugehen." Es klingt so einfach und ist doch eine solche Anstrengung.

 

Seid achtsam!

Wachsamkeit und Achtsamkeit auf sich selbst und das Umfeld ist die halbe Miete im zwischenmenschlichen Miteinander. Wie geht es mir gerade, welchen Gesichtsausdruck und welche Stimmlage habe ich heute und was löst das beim anderen aus, bzw. was möchte ich kommunizieren? Was nehme ich von meinem Gegenüber wahr? Was kann ich aus seiner/ihrer non-verbale Kommunikation herauslesen? Ein Lächeln und ein nettes Wort nimmt die Bürde des Stresses und führt zu mehr Fröhlichkeit, wie mir sehr deutlich in Villach vorgeführt wurde.

Die Dinge positiv zu nehmen und nicht auf das halb leere Glas zu schauen ist sicherlich die Kunst des Lebens. Es lohnt, sie zu trainieren. Auch einmal über etwas lachen zu können, was vielleicht anstrengend anmutet und Extrakraft bedeutet.

Motivation zu schenken hat natürlich insbesondere in einem Krankenhaus eine enorme Wirkung. Wir alle brauchen sie und Anerkennung, ganz unabhängig der Hierarchie und der Gegebenheit. In Villach hat man mich sehr bald nach der OP auf die Füße gestellt und ist mit mir gelaufen. Es funktionierte viel besser als gedacht. Am zweiten Tag kam die nette Physiotherapeutin und sagte mit einem Strahlen: "Und jetzt steigen wir die Stiegen rauf." Ich blickte sie ungläubig an. Wie soll ich denn Treppen steigen? Sie hat es mir gezeigt und es ging sehr gut. Es war Euphorie pur für mich.

Ich wurde nach einer Woche per Krankentransport von Villach nach Berlin gefahren. Zwei kräftige, fröhliche, unglaublich zuvorkommende Sanitäter standen vor mir und versprühten Zuversicht, Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Serviceverständnis: "Sie sind unser Kunde, was immer Sie möchten, brauchen, was immer das ist, wir stehen Ihnen zur Verfügung. Wir halten so oft Sie wollen. Wir sind für Sie da." Nichts ist ein Problem. Ist das wohltuend! Es waren zwei Tiroler, die mich schnurstracks nach Berlin fuhren, stets an meiner Seite blieben, sich nicht einladen lassen wollten und sich erst verabschiedeten, als ich im Berliner Krankenhaus abgeholt und auf die Station gefahren wurde.

 

Demotivation

Auf dem Fahrstuhlweg nach oben wurde mir ein Kurzvortrag darüber gehalten, was alles nicht geht und auf welche möglichen Horrorszenarien hinsichtlich meiner verbauten Schrauben ich mich einzustellen hätte. Die einen wissen zu motivieren, die anderen zu deprimieren.

 

Dem anderen etwas zu schenken, ein Lächeln, eine Motivation, eine Geste, ein Extrawort, ein Witz, eine Überraschung, präsent sein, das ist bereichernd, und zwar für beide Seiten. Das gilt im Business wie auch Privat.

Seid wachsam!

 

Wertschätzung und Dankbarkeit

In der Berliner Klinik ist auffällig, welch junges Team mir begegnet. Auch hier sind alle freundlich und ich merke, dass das Personal meine Dankbarkeit, meine freundlichen Bitten und Worte, meine Anerkennung für ihre Hilfe dankend aufnimmt und mir zurückgibt. Nach einer Woche bin ich auf der Station bekannt. Warum? Ist Freundlich- und Höflichkeit so eine außergewöhnliche Sache? Auch hier haben sie mit den gleichen Rahmenbedingungen zu kämpfen: zu wenig Personal, zu lange Zeiten etc. Nur hier höre ich kein Lachen auf den Gängen, eher leises Schnauben und sehe hier und da ein Augenrollen. Allerdings mein junger Physiotherapeut ist strahlend, lacht mit mir herzhaft und reißt mich mit. Es ist so wohltuend und aufbauend, gemeinsam zu lachen.

Auf der Station waren alle sehr liebenswürdig zu mir und ich danke und wertschätze jede Tätigkeit so gut es geht und halte mich mit Klingeln und Sonderwünschen zurück. Es führt dazu, dass mich eine junge Schwester, mit der ich einen sehr netten Austausch über meinen Krankheitszustand hinaus habe, am Tag meiner Entlassung fragt, ob Sie mich in den Arm nehmen dürfe. Nur zu gern. Es tat uns beiden gut.

Ich habe auch hier in Berlin nichts auszusetzen. Es ist alles professionell. Doch die Nuancen fehlen, das Lachen untereinander, der Teamspirit kommt nicht rüber.

 

Blick auf die Businessetikette

Die oben geschilderte zwischenmenschliche Höflichkeit und Achtsamkeit sollte länderübergreifend sein. Es gibt jedoch Feinheiten, die uns von den Schweizern und Österreichern unterscheiden.

Understatement ist in der Schweiz wichtig. Während die Schweizer eher unprätentiös mit ihren akademischen Titeln umgehen, ist es bei uns Deutschen eine Unhöflichkeit, diese zu ignorieren. In dem Moment, in dem wir von Titeln Kenntnis nehmen, haben wir sie auch zu benennen, es sei denn, der Titelträger entbindet uns davon. Den Österreichern ist dies noch wichtiger als uns und sie wünschen, dass z.B. auch der Ingenieur und Magister als solcher benannt wird.

In allen drei Ländern ist es tabu, unaufgefordert zu duzen - außer in dem angrenzenden Land Liechtenstein. Das gesamte Land hat beschlossen, sich zu duzen, angefangen vom Regenten Erbprinz Alois Philipp Maria von und zu Liechtenstein, bis zu den Gästen des Landes. Seien Sie also nicht verwundert, wenn Sie in diesem Land tatsächlich ungefragt geduzt werden, was ansonsten ein no-go ist.

Der Business Dresscode ist in Österreich förmlicher als in Deutschland und der Schweiz. Man erwartet Sie im Anzug und die Damen in Hosenanzug oder Kostüm. Machen Sie sich in jedem Fall klar, dass wir nicht nicht kommunizieren können und somit durch unser Erscheinungsbild, Auftreten, Körperhaltung, selbst durch unsere Abwesenheit kommunizieren. Seien Sie sich im Klaren, was Sie kommunizieren (möchten).

 

Alle drei Länder halten die Pünktlichkeit hoch. Also halten Sie sich an die vereinbarten Zeiten. Unpünktlichkeit ist eine Unhöflichkeit und die Geringschätzung der Person, mit der Sie verabredet sind.

 

Der Smalltalk ist eine soziale Kernkompetenz und ein Eisbrecher vor Verhandlungen. Wir können nicht genug darin geübt sein, ihn zu praktizieren. Achten Sie auf die Wahl Ihrer Gesprächsthemen. In Österreich sind Themen wie der Nationalsozialismus, der II. Weltkrieg und Hitler tabu. Mit solcherlei Themen sollte man im Gastland ohnehin sehr zurückhaltend sein. Auch das Privatleben gehört in Österreich nicht zu den Smalltalkthemen. Also wählen Sie lieber unverfängliche Themen wie das Wetter, die Anreise, den Veranstaltungsort, um mit den Gesprächspartnern warm zu werden.

 

Lassen Sie sich von einem legeren Rahmen eines Meetings, wie z.B. in einem Caféhaus nicht täuschen. Während wir dieses in unsere Besprechungsräume oder ggf. in ein Restaurant verlegen, treffen sich die Österreicher nicht selten in leger Umgebung. Verkennen Sie die lockere Atmosphäre also nicht. Das Meeting bleibt professionell.

 

Während wir Deutschen gern schnell, grade und effizient zum Ziel/zur Unterschrift gelangen möchten, lieben die Österreicher Zwischenziele. Also lieber einen Kompromiss als Etappensieg ansehen, als auf eine Endlösung zu bestehen, die dann möglicherweise komplett abgeschmettert wird. Die Schweizer hingegen sind sehr ungern Befehlsempfänger und teilen solche auch nicht aus. Eine Bitte ist jedoch nicht zwangsläufig als Option zu verstehen.

 

Wissen wir um all diese Gepflogenheiten und was sie mit unserem Gegenüber machen, beachten und beherrschen wir sie, dann ist unser Miteinander um ein Vielfaches einfacher und bereichernder.

Nachzulesen auch in meinem Artikel vom 18. März 2022 https://www.balogh-coaching.de/presse/benehmt-euch

Benehmt Euch!

Britta Balogh