Wenn Unternehmen die Tragweite fehlender Wertschätzung nicht begreifen.

Kommt sie das teuer zu stehen.

Definition und Unterschiede

Definieren wir erst einmal Wertschätzung, denn Lob und Anerkennung für gute Arbeit sind nicht gleichbedeutend mit Wertschätzung. Lob und Anerkennung sind punktuelle Bestätigungen für eine erbrachte Leistung. Wertschätzung hingegen ist davon losgelöst und hat die Person als Ganzes im Blick. Sie wird dem Mitmenschen bedingungslos entgegengebracht, in dem man ihn/sie so schätzt, wie er/sie ist. Damit einher gehen Achtung, Empathie und Würdigung des Gegenübers.

Wertschätzung setzt sich zusammen aus Wert und schätzen. Werden die Werte, die die Mitarbeitenden mitbringen gesehen und geschätzt, entsteht Wertschätzung. Kommen Lob und Anerkennung für gute Leistungen hinzu, ist es ideal für beide Seiten.

Auswirkung auf Führungskräfte

Lob und Anerkennung reichen nicht aus, um insbesondere Top Leute zu halten. Studien belegen, dass sich mangelnde Wertschätzung auf die Motivation und die Bindung an das Unternehmen auswirkt. Die Mehrheit der Teilnehmenden einer Umfrage der Talentmanagement-Beratung DDI erklärt, dass sie deutlich effektiver arbeiten würden, würde ihnen mehr Wertschätzung entgegengebracht werden. Schlimmer noch, verlassen Führungskräfte und Top Leute das Unternehmen aus Frust, kann das Unternehmen einen Imageschaden und große finanzielle Einbußen erleiden. Denn die Erzählungen im Freundeskreis und im Netzwerk der genervten Mitarbeitenden führen dazu, dass andere sich nicht bei dem Unternehmen bewerben. Die Zahl der Empfehlungen nimmt stetig ab. Waren es im Jahr 2016 noch 71 Prozent, sind es in 2019 nur noch 32 Prozent, was nicht allein auf mangelnde Wertschätzung zurückzuführen ist. Eine Netigate-Umfrage von 2019 zeigt ein erstaunliches Ergebnis: Nur jeder Zehnte war unzufrieden mit seinem Unternehmen und dennoch würden nur 32 Prozent der Teilnehmenden den Arbeitgebenden weiterempfehlen. Die Unzufriedenheit bezieht sich im Wesentlichen auf das Miteinander mit dem Kollegium und den Vorgesetzten. Auch eine EY-Studie zeigt, dass 40 Prozent der Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass sie nicht gewertschätzt werden. Insbesondere die jüngeren Mitarbeitenden sind deshalb schnell bereit, den Arbeitgebenden zu wechseln.

Fehlende Wertschätzung führt also zu Kündigungen und darüber hinaus zu weniger Neubewerbungen. Gallup beziffert den Schaden, den der deutschen Wirtschaft darüber entsteht mit bis zu 105 Milliarden Euro jährlich!

Wertschätzung ist keine Einbahnstraße

Auch Chef:innen, Führungskräfte in Sandwich-Positionen und selbst die Vorständ:innen möchten gewertschätzt werden. Sehen Sie jedoch davon ab, Ihren Vorgesetzten jovial auf die Schulter zu klopfen und sie oder ihn zu loben. Das steht Ihnen nicht zu und wirkt schnell arrogant und übergriffig. Wählen Sie also gut Ihre Worte und lassen Sie ihn/sie Ihre echte Achtung spüren.

Sich selbst wertzuschätzen und die eigenen Facetten mit allen Stärken und Unzulänglichkeiten anzuerkennen und zu achten ist für viele keine leichte Aufgabe. Gelingt es, führt dies zu einem stabilen Selbstwertgefühl und ist die Grundbedingung, um andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Wird diese Haltung im Unternehmen gelebt, entsteht eine wertschätzende Unternehmenskultur.

Ist Wertschätzung eine Frage des Geschlechtes?

Benötigen Frauen mehr Wertschätzung als Männer? Die Frage habe ich in einer Umfrage auf Linkedin gestellt. Hier ist das Ergebnis:

18 Prozent der Befragten geben an, dass Frauen mehr Wertschätzung erwarten als Männer.

82 Prozent finden, Männer und Frauen wollen gleichermaßen gewertschätzt werden und ziehen gleichermaßen die Konsequenz aus fehlender Wertschätzung.

Nicht die Qualität und Quantität der Wertschätzung machen den Unterschied zwischen Frauen und Männern, sondern auf welche Weise und für was sie gewertschätzt werden. Männer machen Wertschätzung weniger an ihrem Gehalt fest als daran, ob sie zum Erfolg der Firma beitragen können. Frauen hingegen wollen über gleiches Gehalt, gleiche Anerkennung und gleiche Karrierechancen und -förderung wie Männer gewertschätzt werden.

Erkennbar ist, dass Frauen, die weit mehr zusätzliche Care-Arbeit als ihre männlichen Kollegen übernehmen, weniger Anerkennung erhalten und sich damit weniger gewertschätzt fühlen. Hier gilt es, genau hinzuschauen und die Begriffe, bzw. Gefühle nicht in einen Topf zu werfen. Anerkennung nicht gleich Wertschätzung.

Wie bringen Sie Wertschätzung zum Ausdruck?

Zu allererst ist es Ihre innere Haltung, die sich in Ihrem Umgang mit den Mitarbeitenden, den Kolleg:innen und Vorgesetzten spiegelt. Fragen Sie sich, ob Sie die Person schätzen, so wie sie ist. Haben Sie ein ehrliches Interesse an ihr/ihm? Begegnen Sie der Person mit Respekt, Aufmerksamkeit und Wohlwollen? Dann kommt Ihre Wertschätzung sicher auch bei Ihrem Gegenüber an. Hinzu kommen Lob und Anerkennung für die Leistungen der Person.

  • Seien Sie zugewandt, freundlich, aufmerksam und interessiert an Ihren Mitarbeitenden, nicht nur an dem erarbeiteten Ergebnis.

  • Achten Sie auf eine positive Wortwahl und klammern Sie so gut wie möglich negative Worte aus. Wandeln Sie z.B.

  • „Müssen“ in „sollen“ und „können“ um. „Aber“ wird zu „und“ oder Sie lassen beides weg und denken sich ein Komma

  • Zeigen Sie häufiger Ihre Anerkennung und Achtung nicht nur einmal pro Jahr im Mitarbeitergespräch. Nur so pflegen Sie eine Kultur der Wertschätzung und befriedigen langfristig das Bedürfnis nach Anerkennung. Das steigert erwiesenermaßen die Leistung Ihrer Mitarbeitenden.

  • Haben Sie ein offenes Ohr und hören Sie Ihren Mitarbeitenden zu. Bieten Sie Feedback, Support und Ihre Expertise an. Verteilen Sie jedoch keine RatSCHLÄGE.

  • Seien Sie ehrlich, nehmen Sie Ihr Gegenüber ernst und stehen Sie zu Ihrem Wort.

  • Nehmen Sie spezifische Talente und Fähigkeiten wahr und schaffen Sie den Raum, diese entwickeln zu können.

  • Erkennen Sie die fachliche Kompetenz des Mitarbeitenden an, insbesondere wenn sie über den Ihrigen liegt. Sind Sie der/die Versierte, dann bieten Sie Ihre Hilfe ohne jede Überheblichkeit an.

  • Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden spüren, dass sie das wichtigste Gut des Unternehmens sind.

  • Monetäre Wertschätzung in Form von Boni und zusätzlichen Leistungen sind eher ein ad on. Sie sind jedoch lange nicht so nachhaltig, wie persönlich formulierte Anerkennung.

  • Wertschätzung ist keine Frage des Alters, der Generation, der Hierarchie oder des Geschlechts.

Fazit

Wertschätzung gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Wir streben unser ganzes Leben in allen Lebensbereichen danach. Ohne Wertschätzung verkümmern wir und werden krank. Im Berufsleben kommt es ohne Wertschätzung vermehrt zu Konflikten und erhöhtem Stress.

Wer mit Empathie und Wertschätzung führt, hält Mitarbeitende im Unternehmen und zieht gute Leute an. Damit sind nicht nur die Top Leute auf Top Positionen gemeint. Wertschätzung sollte sich durch das ganze Unternehmen hindurchziehen, denn es spiegelt die Unternehmenskultur. Erkennbar wird diese Kultur durch Mitarbeitende und Führungskräfte, die miteinander und positiv übereinander sprechen und die Annehmlichkeiten, die das Unternehmen bietet, hervorheben.

Wenn wir unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, dürfen wir nie vergessen, dass die höchste Wertschätzung nicht darin besteht, Worte zu machen, sondern sie zu leben.

John F. Kennedy

Britta Balogh